Letztes Jahr (2018) im Skilager wurde mir diese interessante Frage gestellt.
Ich nehme mir jetzt kurz Zeit, ausführlich darauf einzugehen.
Das wichtigste zuerst: Freies Lernen hört für mich spätestens dort auf, wo man sich selbst oder andere Menschen gefährdet. Es macht sehr wenig Sinn, mit einem Kind zu oberst auf einen Berg zu gehen und es einfach machen zu lassen, denn so gefährdet es sich selbst und viele andere Menschen. Ich kann eine solche Entscheidung nicht nachvollziehen, obwohl ich sie auch aus nächster Nähe schon erlebt habe. Egal wie man ein Kind in einer solchen Situation unterstützt, es ist in meinen Augen gefährlich.
Wir gehen bei unseren Kindern davon aus, dass sie für etwas bereit sind, wenn sie es selber können oder sehr viel Initiative zeigen, es erlernen zu wollen. Dies ist uns auch beim Skifahren sehr wichtig. Ich fahre nie mit einem Kind zwischen den Beinen, ausser es hat sich verletzt oder doch in eine Lage gebracht, in der es selbst nicht wieder herauskommt. Also nur in äusserster Ausnahme und das ist mir extrem wichtig, denn die meisten schlimmen Unfälle auf der Piste, in die Kinder verwickelt sind, passieren, weil Kinder zwischen die Beine genommen werden. Ein Kind gehört aus meiner Sicht weder auf dem Skilift noch auf der Piste zwischen die Beine einer anderen Person.
Fällt die erwachsene Person auf das Kind, dann ist es in der Regel nicht mehr lustig und dies passiert schneller als man denkt. Das Kind kann verkannten oder über die Skis der Erwachsenen Person fahren oder die Erwachsene Person hängt ein beim Abbügeln oder was auch immer. Hast du schon mal ein Skilehrer gesehen, der ein Kind zwischen den Beinen hatte? Wohl eher nein. Die Skilehrer lernen dies wohl in der ersten Lektion. Oder war es die Zweite? Ich kann mich nicht mehr erinnern, denn es ist schon zu lange her, als ich meine Kinderskilehrerausbildung gemacht habe. Dieser Punkt ist mir auf alle Fälle geblieben und hat mir sehr eingeleuchtet.
Soweit so gut, doch wie kann denn ein Kind ohne Gefahr alleine Skifahren lernen? An einem Ort an dem es Schnee hat, wenig andere Leute und am besten eine Piste vorhanden ist, denn fahren im Tiefschnee ist etwas anderes und für Anfänger nicht zu empfehlen. Wenige Leute ist ein Punkt, der schon mal sehr schwer zu erfüllen ist, ausser man fährt auch bei Regen Ski wie wir :-).
Dann wäre noch der Punkt mit dem Schnee. Bei vielen Familien liegt die Skipiste nicht direkt vor dem Haus und der Schnee oft ebenso wenig. Also muss ein Aufwand erbracht werden, um überhaupt Skifahren zu können. Sprich, wenn wir unsere Kinder ganz frei Skifahren lernen lassen würden, dann müssten wir x Tage pro Jahr im Schnee verbringen können. Ganz frei heisst für mich, dass wir keine Tipps geben würden und sie alleine an einem Hügel üben würden, an dem sie weder sich selbst noch andere Menschen gefährden. Erstens wäre das wohl ziemlich langweilig und zweitens würde das einiges an Ausdauer brauchen, bis ein Kind reif wäre auf einer Piste mit anderen Menschen zu fahren. Möglich wäre dies ganz sicher, wenn das Kind das wirklich möchte. Möglich ist alles. Den meisten Kindern würde das Skifahren alleine am Hang schnell verleiden, deshalb sieht man wohl auch so viele Menschen, die ihre Kinder irgendwo auf einen hohen Berg hinauf schleppen.
Meinen Weg
Ich bringe jedem Kind, das gerne Skifahren lernen möchte, im privaten Rahmen ab einem Alter von ca. 4 Jahren in maximal zwei Stunden die Basics des Skifahrens bei. Nach diesen zwei Stunden kann es einigermassen sicher bremsen, alleine Kinderlift fahren und ansatzweise Kurven fahren. Nach diesen zwei Stunden haben die Kinder ein erstes Gefühl für diese Sportart und sind danach gerüstet, am Kinderlift weiter zu üben, bis sie Kurven fahren und sicher bremsen können. Sie lernen also nach den Basics ganz frei in einem sicheren Rahmen Skifahren. Es kann trotzdem sein, dass die Kinder mal ineinander fahren oder sogar immer mal wieder. An einem Kinderlift mit geeignetem Gelände ist dies in aller Regel nicht weiter schlimm, da das Gelände so ausgelegt ist, dass die Kinder mit mässigem Tempo hinunterfahren. Wenn die Kinder Handschuhe tragen, was in meiner Nähe jedes Kind muss, sind die Hände vor scharfen Ski-Kannten geschützt. Weiter übernehmen auch der Helm und die Skibrille eine wichtige Aufgabe zur Sicherheit. Natürlich können sich die Kinder auch in einem Kinderland das Bein verdrehen oder einem anderen Kind in den Rücken fahren, aber wie bereits geschrieben, das Fahrtempo ist um einiges geringer, als wenn ein Kind, wie oft gesehen, ohne Kurve eine ganze Bügellift-Strecke hinuntersaust. Zudem können Kinder nach zwei Stunden üben, in der Regel zumindest abbremsen und ihr Tempo selbst verlangsamen.
Sind die Kinder dann mal so weit, dass sie die Kurven und das Bremsen in den allermeisten Fällen sicher beherrschen, gehe ich mit ihnen an einen Bügel- oder Teller-Lift. Es wird kurz erklärt, wie man sich auf dem Lift verhalten sollte und dann kann jeder sein Glück versuchen. Nur wer alleine hochkommt, ist auch bereit dafür, alleine wieder runterzufahren. Oben angekommen, wird es den meisten natürlicherweise etwas mulmig zumute. Dies hilft ihnen dabei, vorsichtiger herunterzufahren. Nach ein, zwei Abfahrten fahren Freilerner-Kinder, die so Skifahren gelernt haben, oft besser und vor allem sicherer Ski, als Kinder, die schon länger Skifahren und von Anfang an hohe Bergen runter sausen.
Diese sehr bewährte Methodik werde ich diesen Winter zum dritten Mal mit einigen Freilerner-Kinder anwenden. Die meisten Kids unserer Gruppe sind nun so weit, dass sie alleine oder zu zweit Bügellift fahren können. Nun dürfen sie an einem einfachen Bügellift, der ca. 400 m lang ist, weiter üben und ihren Spass haben. Wenn sie dann bereit sind, für höhere Sprünge, wird im ausgewählten Skigebiet noch ein ca. 800 m langer Skilift zur Verfügung stehen. Beide Skilifte mit übersichtlichen Pisten. Ich habe ein Gelände ausgewählt, das den Kindern ermöglicht, frei zu fahren. Wir werden in der Nebensaison dort sein, sodass sie sich austoben können, ohne für Andere eine Gefahr zu sein. Ich bin mir sicher, dass alle Kids zwischen 4 und 10 Jahren ihren Spass haben werden und ihre Eltern auch. Aus meiner Sicht braucht es weder ein grosses, teures Skigebiet, noch mega spektakuläre Pisten, damit sich die Kinder im Schnee wohlfühlen. Wir werden unseren Kindern erst zeigen, dass es noch grössere Skigebiete gibt, wenn sie danach fragen. Solange sie mit wenig zufrieden sind, werden wir sie in ihrem Frieden lassen und eher unsere Bedürfnisse zurückstecken. Wobei ich sagen muss, dass auch ich noch viel auf einer kurzen Piste lernen und ausprobieren kann, sodass es mir nach einer Woche Skiferien bestimmt noch nicht langweilig sein wird. Wir wünschen uns, dass unsere Kinder ihre Befriedigung nicht im Grossen und teuren finden, sondern eher im kleinen, gemeinschaftlichen, ruhigen und genau das versuchen wir ihnen vorzuleben.
Es ist mein Weg, unser Weg. Weder richtig noch falsch. Mir ist es ein Anliegen, nochmals zu erwähnen, dass freies Lernen für mich spätestens dort aufhört, wo man sich oder Andere gefährdet. Ich sehe beim Freilerner-Skifahren nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lernt so, dass man niemand gefährdet oder man lässt sich minimal instruieren. Wir haben uns vor allem wegen beschränkten Möglichkeiten und beschränkter Zeit fürs Zweite entschieden, was für uns als Familie stimmig ist und ich würde mir echt wünschen, dass mehr Familien, ob Freilerner oder nicht, beim Skifahren diesen Weg gehen würden, denn ich finde es auf kinderreichen Pisten oft gefährlich. Auch wenn man sich als Skifahrer korrekt verhält, ist man durch Kinder, die nicht sicher und schnell bremsen können, ständig in Gefahr verletzt zu werden.
Und zum Schluss noch dies…..
Warum fahren wir den überhaupt Ski?
Ja, Skifahren ist nicht besonders umweltfreundlich. Das weiss ich und ich bin hier echt in einem Zwiespalt. Ich bin in einer Gemeinde mit eigenem Skigebiet aufgewachsen. Ich war oft von morgens bis abends und noch nach der Schule auf den Skiern. Ich habe es geliebt, im Schnee zu sein. Ich liebe es noch heute. Ich möchte nicht darauf verzichten. Zumal auch die Zeit als Kinderskilehrerin eine der schönsten in meinem Leben war. Spass darf man auch als Öko haben. Ich finde, man muss nicht auf alles total verzichten. Die Frage ist wohl eher, wie man sich so etwas ermöglicht. Mein Weg ist es, möglichst kleine Skigebiete zu nutzen und nur ein paar Mal pro Saison zu fahren. Dafür es um so mehr zu geniessen. Letztes Jahr waren wir im Skilager plus noch 2-3 zusätzliche Halbtage auf der Piste. Wenn wir von Zuhause aus Skifahren gehen, schauen wir darauf, dass wir eines der nächsten Skigebiete wählen, um für den Anfahrtsweg möglichst wenig Emissionen zu verursachen. Im Moment gehört das Skifahren für mich noch so sehr zum Winter, dass ich es mir nicht wegdenken kann. Es macht mich so glücklich, dass es so für mich einen grossen Wert hat. Diese Freude gebe ich gerne meinen Kindern, zum geeigneten Zeitpunkt weiter, auch wenn es bestimmt umweltfreundlichere Hobbys geben würde. Ich möchte nicht, dass sie irgendwann mühselig als Teenager oder Erwachsene Skifahren lernen müssen. Freude und Glück ist ein nicht zu unterschätzenden Wert für eine gesündere Welt.